HOLZ-BLOG - BEMERKENSWERTES AUS DER HOLZBRANCHE


02.08.2022

Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten

Karin Blum hat soeben ihre Schreinerlehre abgeschlossen. Erfolgreich. Das hat sie mit vielen anderen Lehrabgängern gemeinsam. Doch sonst ist ziemlich vieles anders als bei ihren jungen Berufskollegen. Obwohl sie mit ihrem besonderen Weg bewiesen hat, wie flexibel und jung sie geblieben ist, hat sie ihren Schulkollegen/Schulkolleginnen viele Jahre Lebenserfahrung voraus. Und trotzdem hat sie sich nicht von ihrem Traum abhalten lassen, Schreinerin zu werden. Karin Blum hat uns im Rahmen dieses Interviews einen persönlichen Einblick gewährt, welchen speziellen Weg sie gegangen ist. Einer, der auch anderen Mut machen soll, von der Norm abzuweichen, wenn es denn die Situation erfordert.

LHZ: Karin, erzählst du uns von deinem Weg? (Du hast als Jugendliche eine Lehre absolviert und diese abgeschlossen und dann im Beruf gearbeitet)

Als es um meine Berufswahl ging, schnupperte ich in verschiedenen Bereichen, u. a. auch in einer Schreinerei. Mit den Händen etwas Kreatives zu erschaffen gefiel mir auf Anhieb. Der Lehrmeister meinte jedoch damals am Ende der Schnupperlehre: «Meitli, wenn du eine Schreinerlehre absolvieren willst, ist das gut und recht. Aber ich bilde keine Mädchen aus!» Meine Eltern meinten, mit einer kaufmännischen Lehre hätte ich eine gute solide Grundlage für den weiteren beruflichen Werdegang. In der Berufsberatung schaute sich die Beraterin meine Schulnoten an und gab mir eine Liste mit Bankadressen, welche noch Lehrstellen für eine KV-Ausbildung offen hatten. So entschied ich mich schliesslich für eine Banklehre.

Nach der Lehre blieb ich der Bank noch einige Jahre in verschiedenen Funktionen und Standorten treu. Ich absolvierte zwischenzeitlich einen Sprachaufenthalt in England und reiste für mehrere Monate in Indonesien, Australien und Neuseeland umher. Zudem nahm ich neben meiner Arbeit eine Ausbildung zur PC-Supporterin in Angriff.

Danach arbeitete ich für eine internationalen Firma im Customer Controlling. Ich merkte aber relativ schnell, dass mir das Erstellen von Reportings, Berechnungen und Verkaufsplanungen zu theoretisch war und ich die Kundenkontakte vermisste. Nach einem Jahr ging ich für einen zweimonatigen Sprachaufenthalt nach Lugano und nahm danach für ein Jahr eine Temporärstelle in der Administration eines Pflegeheims an. Dort standen nicht die Zahlen an erster Stelle, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner. Erneut packte mich das Reisefieber: Die Hochzeitsreise führte meinen Mann und mich in acht Monaten auf die Malediven, nach Australien, Hawaii, Kanada und Alaska.

Bei meinem nächsten Arbeitgeber arbeitete ich wiederum in der Administration, war zusätzlich für die EDV-Betreuung zuständig und übernahm die Stellvertretung für die Personalverantwortliche. Nebenbei schlug mein Informatiker-Herz wieder etwas höher und ich absolvierte eine Ausbildung zum Web-Publisher. Nach dem Weggang der Personalverantwortlichen wurde mir intern diese Stelle angeboten. Daraus ergab sich für mich die Möglichkeit, eine Weiterbildung als Personalassistentin in Angriff zu nehmen und erfolgreich abzuschliessen. Nach acht Jahren suchte ich eine neue Herausforderung und wechselte in den Informatikbereich.

Und dann kam der Moment, als du dir überlegt hast, dass du noch etwas anderes lernen möchtest. Wie kam's? Und wie kamst du auf die Schreinerin? Was bedeutet dir der Werkstoff Holz?
Bei meiner letzten Arbeitsstelle im Informatikbereich war ich jobmässig nicht glücklich. Einmal mehr war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich meine berufliche Zukunft überdachte. Wollte ich bis zur Pensionierung aus Bequemlichkeit wie bisher weitermachen? Im stillen Kämmerlein jammern und trotzdem nichts ändern? Mir gingen viele Fragen durch den Kopf. Schliesslich beschloss ich, an der Situation etwas zu ändern. Mein Mann ist in der Elektrobranche tätig. In meiner Freizeit half ich ab und zu bei Installationen im Freundeskreis mit und hatte Freude an der handwerklichen Tätigkeit. Daher besann ich mich wieder auf meinen Jugendtraum, den Beruf des Schreiners zu erlernen. Das Schreiner-Handwerk kombiniert enorm viele Aspekte: Design, Präzision, Kreativität. Aus dem Werkstoff Holz – ein nachwachsender, bedeutender und vielseitiger Rohstoff – lassen sich einzigartige Gegenstände herstellen. Je nach Holzart sind der Verwendungszweck, die Bearbeitung sowie das Aussehen unterschiedlich. Neben dem Hauptwerkstoff Holz verarbeitet die Schreinerin, bzw. der Schreiner noch viele weitere Materialien.

Wie war die Lehrstellensuche? Wie begegnete man dir?
Nachdem ich mich entschieden hatte, nochmals etwas völlig Neues zu wagen, machte ich mich auf die Suche nach einer Lehrstelle. Ich konnte zwar jeweils mein Dossier einreichen, aber wenn es dann konkreter wurde, bekam ich aus diversen Gründen eine Absage. Ich denke, es lag daran, dass ich ein etwas anderes Bild vermittelte als die «üblichen» Bewerbenden: Das Alter spielte sicher eine Rolle und meine bisherige Laufbahn im kaufmännischen Bereich ebenfalls. Ich war beinahe so weit, meinen Traum zu begraben. Also sagte ich mir: «Ändere deine Strategie – sonst funktioniert es nicht!» Anstelle der elektronischen Übermittlung meines Bewerbungsdossiers bat ich um ein persönliches Gespräch. So konnten sich die Betriebe ein persönliches Bild von mir machen und meine Beweggründe erfahren. Und schliesslich klappte es ja dann auch mit der Lehrstelle.

Wie war der Berufsschulstart? Musstest du noch die volle Lehrzeit absolvieren, oder wurde dir etwas von deiner Erfahrung angerechnet?
Als ich mich über die Möglichkeiten einer Ausbildung zur Schreinerin EFZ erkundigte, stellte ich fest, dass es – wie z. B. in Pflegeberufen – keine Erwachsenenbildung gibt. Da ich aber bereits über berufsspezifische Vorkenntnisse verfügte, konnte ich eine verkürzte Lehre beginnen. Also besuchte ich die Berufsfachschule (mit Dispens im Fach Allgemeinbildung und Sport) mit Mitschülerinnen und Mitschülern, welche vom Alter her meine Kinder hätten sein können. Nach drei Monaten hatte ich dann auch die Letzten so weit, dass sie mich nicht mehr «siezten».

Wie hast du deine Lehrzeit erlebt? Was waren spezielle Herausforderungen? In welchen Momenten warst du vollends von deinem Entschluss, diese Lehre zu absolvieren, überzeugt?

Die erste grosse Herausforderung war natürlich die finanzielle Verpflichtung, welche weiterhin bestehen blieb: Versicherungsbeiträge, Wohnkosten, Steuern etc. Der erste Lohn deckte knapp meine Krankenkassenprämie ab. Mein Mann unterstütze mich aber voll und ganz bei meiner «verrückten Idee» und übernahm einen grossen Anteil der Kosten (und auch der anfallenden Hausarbeit!) über die Ausbildungszeit hinweg. Auch der Freundeskreis blieb zeitweise etwas auf der Strecke, da ich plötzlich meine ganz Freizeit in die Ausbildung steckte. Sie fanden es aber irgendwie «cool», was ich machte und auch sie unterstützen mich vollends. Und – so komisch das nun tönen mag: Der Zeitpunkt der Pandemie zwang mich nicht dazu, auf etwas zu verzichten, da das Leben irgendwie sowieso überall zum Stillstand kam (aber auch ich hätte liebend gerne darauf verzichtet!).

Bei der Arbeit fanden es wohl anfänglich nicht alle so toll, eine Lernende mit Schreibtischerfahrung, und in den meisten Fällen älter als sie selbst, mit auf die Baustelle zu nehmen. Als ich aber nach drei Monaten nach wie vor mit ungebrochenem Lern- und Einsatzwillen in den Lieferwagen stieg und keine Anzeichen machte, davon abzuweichen, fühlte ich mich akzeptiert. Immer wieder gab es auch lustige Situationen. So wurde ich des öfteren für die Projektleiterin gehalten und um Rat gefragt. Und warum nicht einfach mal dankend annehmen, wenn ein Arbeiter fragt, ob er die schwere Last abnehmen und auf die 3. Etage bringen kann?

Einige Jahre nach deinem Entscheid gewinnst du den Sonderpreis der Lignum Holzwirtschaft Zentralschweiz «ächt schwiizerisch» im Rahmen des Lehrlingspreises Art in Wood - wie fühlt sich das an?
Ein Jahr, bevor ich die Ausbildung zur Schreinerin in Angriff nahm, besuchte ich 2018 zum ersten Mal eine «Art in Wood»-Ausstellung und war fasziniert von den kreativen Ideen. Gleichzeitig beschlich mich aber auch ein mulmiges Gefühl, da mir bewusst wurde, dass ich hier mein Können ebenfalls unter Beweis stellen musste. Bei der Anmeldung zum Wettbewerb meldete ich mich gleichzeitig zum Sonderpreis «Ächt schwiizerisch» an. Während der Planung und der Produktion meines Möbels habe ich mir immer mehr Gedanken darüber gemacht, wie und wo ich Schweizer Produkte einsetzen kann, welche ebenso hochwertig in der Qualität und nachhaltig sind. Über den 1. Rang des Sonderpreises freue ich mich sehr. Der ganze Aufwand hat sich gelohnt.

Wie geht dein Weg weiter?
Ende Juli endet meine Lehrzeit als Schreinerin EFZ. Ich werde weiterhin im Lehrbetrieb tätig sein und Erfahrungen im neuen Beruf sammeln. Mein Ziel ist es, die beiden Berufe – das Kaufmännische und das Handwerkliche – miteinander zu kombinieren. In welcher Form dies passiert, wird sich zeigen. Ich bin immer offen für Neues.

Was möchtest du Quereinsteigern/Quereinsteigerinnen oder solchen, die sich mit dem Gedanken befassen, eine Zweitlehre zu absolvieren, mit auf den Weg geben, wenn sie der Mut verlässt?

Rückschläge und Zweifel sind an der Tagesordnung. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, weshalb man sich für eine Zweitausbildung entschieden hat. Es ist harte Arbeit und es braucht Ausdauer, Geduld und vor allem sollte man sich nicht immer allzu ernst nehmen. Humor hat mir immer wieder weitergeholfen – und dies nicht nur während der Ausbildung. Ich fragte mich oftmals, weshalb ich mir dies antue – ich hatte ja bereits eine Ausbildung und ein gutes Einkommen. Von einer Freundin erhielt ich eine Karte mit folgendem italienischen Sprichwort: «Va dove ti parta il cuore» - «Geh, wohin dich dein Herz trägt». Ich denke, dies war mein Ansporn. Ebenso haben mich folgende Fragestellungen bestärkt: Was passiert, wenn man es nicht probiert? Man ist weiterhin unzufrieden mit der Situation und bereut irgendwann, es nicht probiert zu haben! Was passiert, wenn man es probiert und scheitert? Man macht dort weiter, wo man aufgehört hat und ist um eine Erfahrung reicher. Nach dem Motto: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen …! Was passiert, wenn man es probiert und es klappt? Man ist mächtig stolz auf das, was man erreicht und ursprünglich nicht für möglich gehalten hat!

© Bildquelle: Luzerner Schreiner, Art in Wood


Zurück
Lignum Holzwirtschaft Zentralschweiz
Geschäftsstelle
Centralstrasse 34
6210 Sursee
Telefon 041 552 33 50 . E-Mail

© 2019
Lignum Holzwirtschaft Zentralschweiz
Impressum
Datenschutz
   
206#193#83#0#0